Iz coronmed3 21.8,

Dr.Mathias Sienčnik

Facharzt f.Kinder-u.Jugendheilkunde

Facharzt f.Kinder-u.Jugendneuropsychiatrie

 

Richard Wagner-Str. 9/Stiege 1/602

9020-Klagenfurt/Celovec

Klagenfurt/Celovec, 10.07.2020

 

Positive Seiten der Corona-Krise – Lanze für die Entschleunigung

Seit mehr als halben Jahr steht unsere Welt im Banne der Corona-Krise. Wir haben es noch immer nicht unter Kontrolle. Wir werden uns damit abfinden müssen

Coronakrise hat unsere Gesellschaft unerwartet mit fast unüberwindbaren Hürden überschüttet. Wir sollen nicht in falscher Hoffnung sein. Immense Belastungen warten auf unsere Gesellschaft. Vieles wird zum Nachholen sein. Die wirtschaftlichen Probleme stehen noch alle vor uns. Es wartet auf uns eine große Verantwortung. Niemand ist ausgenommen. Verantwortungsbewusst und überlegt sollen wir handeln.  Panik oder Schüren von Ängsten ist mit allen Mitteln zu vermeiden.

 

Corona hat uns aber auch Positives gebracht.

Nicht nur der Umwelt, sondern jedem Einzelnen von uns – sollte er die Fähigkeit besitzen. An uns liegt es zu nützen. Corona gibt uns die einmalige Chance aus diesem Notstand Positives abzugewinnen.

Bewusst soll uns sein, dass jede noch so schlimme Katastrophe letztendlich etwas Positives für die Menschheit bewirken kann – falls sie es zuwege bringt,

zB die Schaffung der EU nach der Katastrophe des 2.Weltkrieges,  derzeit die fast unüberwindbaren Bemühungen die Europäische Union am Leben zu erhalten – mit der Gewissheit, dass es keine bessere Variante gibt. Bin voll überzeugt, dass es erfolgreich sein wird. Alles andere wäre für alle eine Katastrophe

Es besteht berechtigte Hoffnung, daß die Corona-Krise zum Meilenstein der menschlichen Zukunft werden kann als

Beginn der Entschleunigung, wo die Familie wieder ihren Stellenwert bekommen hat.

 

Wir stehen vor einer neuen Epoche. Die Zukunft liegt in unserer Hand. Wir dürfen es nicht dem Schicksal überlassen, noch weniger den Populisten und Verschwörungstheoretikern. Zum Hadern ist keine Zeit mehr. Wir dürfen weder verzögern noch verhindern. Wir sind verpflichtet aktiv zu sein.

Wir alle sollen nicht nur unsere Lehre, sondern auch Konsequenzen aus den Erfahrungen der Corona-Krise ziehen. Jeder in seinem Bereich, auch in seiner Familie, in der Urzelle unserer Gesellschaft.

Nicht die Populisten, sondern ausschließlich das Gesetz der Natur bestimmt die Regeln -. Jeder Einzelne ist gefragt. Die Politik kann nur Voraussetzungen schaffen. Von unseren gesetzten Maßnahmen hängt es ab.

Corona ist weltweit als Schicksal aufgetreten. Nicht von Menschenhand gemacht. Ihr Ursprung liegt weder im Krieg oder Glaubenskonflikt, noch in einer Reaktor-Katastrophe. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen bleiben uns dadurch erspart. Wir brauchen es nicht wie es nach den Kriegen üblich ist bis zum totalen Niedergang geschehen lassen.

Unser weltweite Wohlstandsgedanke mit der erwarteten jährlichen bedingungslosen Gewinnoptimierung hat Ausmaße eingenommen, die durch die begrenzten Ressourcen unserer Erde nicht mehr bedienbar sind.  Die Nichterfüllbarkeit der erhofften Ziele der mehrheitlich unterlegenen Weltbevölkerung führt unweigerlich zum sozialen Crash. Klimakrise potenziert es nur.

 

Coronakrise bewirkte für die weitere Existenz der Menschheit die dringend benötigte Schubumkehr mit einer längst fälligen wirtschaftlichen Abkühlung in Form einer Absage vom jährlichen Wirtschaftswachstum und Absage von der überbordenden Konsumorientierung unserer Gesellschaft.

Wir stehen im Zeitalter der Megalomanie, leiden unter Detailverlust. Vor lauter Globalisierung haben wir unsere unmittelbare Umgebung aus den Augen verloren. Makrokosmos steht vor Mikrokosmos. Der Strand auf den Malediven statt der Wald hinter dem Haus. Megaevents statt FreundschaftsPflege im Kleinen.

Unsere Grenzen sind uns in jeder Hinsicht abhandengekommen. Unsere Gesellschaft hat den Überblick verloren, abgehoben im wahrsten Sinne. Corona hat uns die Zerbrechlichkeit „der von uns gemachten Weltordnung“ voll bewusst gemacht, hat uns auf den Boden der Realität zurück gebracht um Fuß zu fassen, um neu aufbauen zu können. Es ist längst an der Zeit wieder am Boden der Realität anzukommen.

Corona bringt für die junge Generation eine neue Erfahrung der Entschleunigung unseres hektischen Lebensstils um Zeit zu finden für sich und seine Familie.

Entschleunigung ist ein

bewusster Verzicht auf Wohlstand, Kariere, Ruhm und Geld.

bewusste Absage vom unverzichtbar geglaubtem Zwangstrott, welcher unser Leben belastet.

bewusster Verzicht auf ressourcenraubende Tätigkeiten, schont die persönlichen und auch die globalen Ressourcen.

  • Durch Absage und Vereinfachung vom kräfte- u. ressourcenraubenden Perfektionismus und von allem Komplizierten bewirkt die Entschleunigung eine deutliche Erleichterung der jeweiligen Lebenssituation, uU sogar Befreiung vom Burnout. Bedeutet für jeden Einzelnen und auch die Umwelt einen unschätzbaren Gewinn. „Man bekommt wieder Freiraum, Luft nach oben“.
  • Voraussetzung ist
  • Bescheidenheit, Verzicht auf viele liebgewonnene Gewohnheiten, die unser Leben verschönern. Sich herausnehmen aus der Komfortzone.
  • Gleichgültigkeit, bereit sein, Abstriche zu machen, nicht um jeden Preis das Ziel erreichen zu müssen. Sich abfinden auf einem niedrigerem, ressourcensparendem Niveau.
  • Bereitschaft zur Variabilität(Gegenteil von Sturheit). Aus mehreren möglichen Varianten sich aktiv für eine Variante entscheiden zu können. Bringt dem Jeweiligen den Eindruck einer größeren Entscheidungsfreiheit und das Gefühl der Erleichterung nicht versagt zu haben falls es falsch gelaufen ist (man fühlt sich nicht unter Druck gesetzt).

Entschleunigung bedeutet nicht Schicksal, sondern eine bewusste – aktiv gewollte Handlung mit Eigenverantwortung.

Nicht zu verwechseln mit der Lethargie im Sinne einer Hilf- und Machtlosigkeit, die häufig mit der Depression verbunden ist.

Perfektionismus hindert im stärkeren Maße die Entschleunigung.

Perfektionismus bedeutet eine gute Arbeitsleistung noch weiter verbessen zu müssen bis an die geglaubte Fehlerlosigkeit. Ist extrem kräfte- und ressourcenraubend. Häufig kombiniert mit herabgesetzter Kritikfähigkeit. Aus lauter Angst einen Fehlers zu machen wird nichts gemacht. Damit wird der Arbeitsdruck und  die Unzufriedenheit mit sich selber ins Unerträgliche gesteigert. Führt unweigerlich an die Grenzen der Belastbarkeit. Endet meistens im Burnout, oder sogar in der Depression.

Zu beobachten besonders in der jetzigen Zeit bei jungen Leuten am Beginn des Berufslebens, bevorzugt junge Frauen, Mütter. Der übertriebene mütterliche Perfektionismus bedeutet eine extreme Belastung der heutigen jungen Familien.

Männer sind durch ihre gesteigerte Gleichgültigkeit davor häufiger verschont.

Es ist nur zu hoffen, dass die Coronakrise mit ihrer Entschleunigung dem überhandnehmenden Perfektionismus entgegenwirken wird. Durch die erzwungene Entschleunigung wird der längst überfällige Weg frei gemacht zur Wertschätzung, Genügsamkeit, Bescheidenheit,  sich füreinander Zeit nehmen und auch lernen Konflikte zu lösen.

Das sind alles Voraussetzungen zur

Aufwertung der Familie. Familie soll wieder ihren Stellenwert bekommen.

Bedingt durch unser in letzten Jahrzehnten stetiges Wohlstandsbestreben mit zunehmender Berufstätigkeit beider Elternteile, die angestrebte Ganztagsbeschulung unserer Kinder, die zunehmend außerfamiliären Interessen und Bedürfnisse der Familienangehörigen und exzessiver Digitalkonsum aller Familienangehöriger leidet extrem das familiäre Zusammenleben. Die hohe Scheidungsrate gibt den Rest. Eine intakte Familienkommunikation ab der Pubertät ist schon die Ausnahme.

Das coronabedingt behördlich vorgeschriebene Isolierung, Abstandhalten und die mehrwöchige Schließung der Kindergärten, Schulen bei zusätzlicher Arbeitsfreistellung der Eltern führte europaweit zur Isolation mit totaler Abschottung ganzer Familien.

Die Abschottung bewirkte in den Familien ein Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und Kommunikation.

Nicht die Ferne, sondern das Naheliegende wird plötzlich wieder interessant.

Das Gespräch findet wieder seinen Stellenwert. in den Familien wird wieder gesprochen. Familienmitglieder finden wieder Zeit und Zuneigung sich miteinander zu beschäftigen für gemeinsame Interessenspflege, um zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen.

Durch Corona erzwungene Leben im engsten Raum sind Konflikte unvermeidbar. Man kann weder ausweichen, noch verdrängen. Man ist gezwungen die aufgestauten Probleme aufzuarbeiten, sie zu lösen. Konflikte sind für alle Beteiligte ein wichtiger anhaltender Lernprozess zur Lösung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Letztendlich fördern sie den familiären Zusammenhalt

In der Corona-Krise bestand die einmalige Situation zum Führen eines echten Familienlebens ohne Fremdbeeinflussung (nicht einmal der Großeltern), Es bildete sich ein noch nie dagewesener Zustand, unter Umständen sogar ein Urzustand der Familie   –   abgeschottet von der restlichen Welt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert mit all den Vor- und Nachteilen. –

Mit einziger Ausnahme: Fernsehen und digitale Medien.  Bei falschem Gebrauch verbunden mit zusätzlichen beträchtlichen schicksalhaften Folgen.

 

Exzessive Nutzung der digitalen Medien und des Fernsehens bedeutet große Gefahr. Führt zur Zerstörung der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Zu befürchten ist, daß diese exzessive Nutzung während der jetzigen Corona-Krise die positive Wirkung der Corona-Krise in einem hohen Prozentsatz der Familien zunichte gemacht hat.

Das Gegensteuern des exzessiven Konsums der digitalen Medien und des Fernsehens wird in unserem derzeitigen Beratungsangebot und auch in den Schulen viel zu wenig Aufmerksamkeit gegeben. Entsprechend der derzeit laufenden Kommunikation in den Medien wird dessen Gefahr nicht ernst genommen, auch nicht von der Schulbehörde.

Absolutes „Ja“ zum digitalen System als Informationsquelle, als nützliches Arbeitsgerät.

Deutliches „Nein“ als Konsumartikel zum Zeitvertreib und als Spielkonsole.

Vergleiche mit der Schnapsflasche zum Allgemeingebrauch auf dem Küchentisch. Noch drastischer: geladene Pistole in ungeschulte Hände.

 

Während der Corona-Krise erlangte die Arbeit durch die erzwungene Arbeitsfreistellung wieder an positiver Bedeutung.

Noch im stärkeren Maße hat die Familie endlich wieder ihren Stellenwert und ihre Wertschätzung bekommen. Aber nur unter der Voraussetzung, daß Fernsehen und digitale Medien in Grenzen gehalten worden sind.

 

Viele haben in der CoronaKrise die bittere Erfahrung gemacht,

daß man die Entschleunigung erst leben lernen muß. Die perfektionistische Einstellung der jetzigen Generation ist ein großes Hindernis.

Bewusst soll uns sein, daß der Begriff „Entschleunigung“ – in Erwartung einer „Beruhigung“ für viele nach durchlebter Corona-Krise eine Fehlbezeichnung, oder sogar eine Zumutung ist. In Realität war die Corona-Krise für Familien eine extreme Zusatzbelastung auf vielen Ebenen mit finanzieller Einbuße, drohender Arbeitslosigkeit, Homeschooling uva. Eine vollständig neue Lebenssituation, die sich auf dem Rücken der Eltern abgespielt hat, zusätzlich unvorbereitet und unverschuldet.

Es ist zu hoffen,

daß diese einmalige Gelegenheit der zeitlich begrenzten Isolation der Corona-Krise von den Eltern auch genützt wurde für eine

 dauerhafte zwischenmenschliche Kommunikation mit Familienangehörigen aufzubauen auf der Basis des gegenseitigen Respektes und Rücksichtnahme.

Es ist zu hoffen, daß die Versuchung der excessiven Nutzung der digitalen Medien und des Fernsehens nicht zu groß war.

Ende

 

Dr.Mathias Sienčnik

Facharzt f.Kinder-u.Jugendheilkunde,

Facharzt f.Kinder-u.Jugendneuropsychiatrie

POSTED BY wuapaa | Aug, 13, 2020 |

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